Dominik Gross, Co-Founder und CEO der Founders Foundation, führt hier in seiner Keynote “Heartbeat of the Hinterland” ein Beispiel auf: “Im Raum San Francisco liegt das reale BIP pro Arbeitskraft bei 600.000 USD und deutlich über jedem europäischen Vergleich. Deutschland liegt nur bei ca. 106.000 USD pro Erwerbstätigen. “Same Race, different Pace – und wir sind nicht in shape” titelt eine Slide seiner Keynote zur Eröffnung der Hinterland of Things 2025.
Eine klare Diagnose und ein Weckruf. Denn auch beim Venture Capital klafft eine Lücke: In den USA entfallen rund 30 Billionen Dollar Marktkapitalisierung auf VC-gestützte Tech-Unternehmen. In Europa sind es gerade einmal zwei Billionen.
Dabei hat die europäische Startup-Szene durchaus ihre Stärken: Laut einer aktuellen Analyse von Atomico und Dealroom ist die Zahl an Tech-Talenten so hoch wie nie, doch das Geld fließt weniger bereitwillig. Frühphasenfinanzierungen sind rückläufig und das spüren viele Gründende.
Venture Capital Europa 2025 ist ein heißes Thema auf der Hinterland of Things Konferenz. Auf dem Panel „State of the European VC Landscape“ wurde deutlich: Die große Euphorie der 2020er ist verflogen, die Zeiten des billigen Geldes vorbei. Venture Capitalist:innen investieren vorsichtiger, prüfen Bewertungen kritischer und erwarten belastbare Geschäftsmodelle.
Marie-Helene Ametsreiter (Speedinvest) betont die Chance in der Verbindung von Corporates und Startups. Doch sie sieht auch, dass europäische Unternehmen deutlich zurückhaltender investieren als US-Firmen. Zu oft werde intern entwickelt statt zugekauft.
Sebastian Pollok (Visionaries Tomorrow) macht deutlich, dass europäische Innovationsstrukturen besser vernetzt werden müssen: „Das ist ja auch für uns als VCs gut: Forschung näher an die Industrie und Startup-Welt zu bringen.“ Nur so könne man international konkurrenzfähig sein.
Die VC-Landschaft steht außerdem vor einem strukturellen Wandel: Eine Konsolidierungswelle hin zu europaweiten Multi-Country-Fonds wird erwartet. VCs sollen künftig Netzwerktreiber statt nur Geldgeber sein – als aktive Verbindungsglieder zwischen Kapital, Startups und Mittelstand.
Daniel Krauss (Flix) unterstreicht die Bedeutung von Wettbewerb als Innovationstreiber und die Rolle langfristig denkender Kapitalgeber: „In Italien ist das Bahnsystem besser geworden, seit Wettbewerb da ist. Ich glaube, das ist überall so und wird auch hier in Deutschland so sein.“ Gleichzeitig brauche es Mut zu echten Zukunftsinvestitionen, wie etwa in autonome Mobilität oder KI-basierte Prozessoptimierung.
Trotz aller Kritik: Europa hat immense Potenziale. In der EU arbeiten mehr als 3,5 Millionen Tech-Talente. Das sind genauso viele wie in den USA. Besonders erfreulich: Die Zahl wächst jährlich um rund 24 Prozent. Auch die Seniorität nimmt zu. Das Resultat: ein zunehmendes Flywheel aus Erfahrung, Innovation und Re- Investitionen. “Trumps Wissenschaftszäsur bringt viele Talente zur Überlegung, ihre Forschung zu verlagern. Da sag ich: Herzlich willkommen in Deutschland”, so Dominik Gross.
Investor und Tech-Analyst Pip Klöckner spricht in seiner Keynote über die doppelte Dynamik der Künstlichen Intelligenz: Einerseits sei sie leistungsfähiger denn je. Gleichzeitig warnt er vor systemischen Risiken. Von Energiehunger über ethische Blindspots bis hin zum Verlust kritischen Denkens durch kognitive Auslagerung. Deutschland? Spielt laut Klöckner aktuell kaum eine Rolle im globalen KI-Rennen, aber ein Open-Source- Modell könnte der Ausweg sein.
Auch neue Felder wie Defense Tech oder Space Tech stehen im Fokus. Der Bedarf ist groß, die Finanzierung wächst und das industrielle Know-how ist da. Wenn Europa jetzt in den Veränderungsmodus schaltet, könnte es seine Stärke im nachhaltigen, wissensbasierten Wachstum ausspielen und genau darin liegt seine Chance.
Die Zusammenarbeit von Mittelstand und Startups bleibt ein Schlüsselthema – der Konferenz und als Vorteil Europas. In seiner Keynote stellt Gross vier Beispiele vor, die zeigen: Kooperation schafft Wert, wenn beide Seiten offen für Veränderung sind und es gibt hier nicht das eine universelle Modell.
Dass erfolgreiche Startup-Kooperation auch ohne direkte Kapitalbeteiligung funktioniert, zeigt auch das Beispiel Otto Dock 6. Julia Kunstmann beschreibt im Fireside Chat Venture Clienting als klar strukturierten Prozess: „Wir werden zum Kunden von Startups. Von der Problemerkennung über das Scouting bis zum Pilot.“
Im Panel mit Otto Birnbaum (revent), Carl Luis Rieger (WEPA) und Vera Knauer (Ortho Innovations) wird deutlich: Kooperation funktioniert besonders gut dort, wo Werte und Tempo zusammenpassen. „Der Mittelstand kann schneller entscheiden als jeder Konzern“, so Rieger. Doch auch hier gilt: Nicht jedes Startup ist reif für reale Strukturen. Pilotprojekte und klare Verantwortlichkeiten schaffen Sicherheit.
Otto Birnbaum sprach über die Risikobereitschaft, empfahl Investoren Realismus und nannte es offen: „Wenn alle Investments funktionieren, mache ich meinen Job nicht richtig.“ Der Mittelstand müsse lernen, dass auch Verluste Teil der Strategie sind. Vera Knauer formuliert es so: „Als Familienunternehmer:in darfst du nicht sterben. Du musst lernen, wie Investor:innen zu denken.“
Die Founders Foundation, Gastgeberin der Hinterland of Things 2025, ist nicht nur Veranstalterin, sondern eine Bewegung. Mitten im Herzen des deutschen Mittelstands bildet sie die nächste Generation erfolgreicher Gründender aus: praxisnah, vernetzt, unternehmerisch.
Programme wie das Entrepreneurship Bootcamp oder die Startup School zeigen, wie Talententwicklung konkret funktionieren kann – und wie aus Ideen Unternehmen werden. Erfolgsbeispiele wie Valuedesk stammen direkt aus diesem Umfeld. Auf der Konferenz ist der Mehrwert dieses Ansatzes spürbar. Startups, Corporates, Investoren: Austausch und Vernetzung führen zum Fortschritt und beide Seiten gewinnen.
Mit dem diesjährigen Motto Reclaim the Future wird zudem klar: Es geht nicht nur um reines Wachstum, sondern um Verantwortung. Um Lösungen statt Symbole. Und um das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Wandel zu gestalten und diesen auch wieder aktiv nach vorne zu treiben.
Europa ist nicht chancenlos. Aber es ist im Rückstand. Die Tech-Zukunft wird nicht in Berichten entschieden, sondern in der Praxis. Politik muss verlässliche Rahmen schaffen, Kapital mutiger investieren, Mittelstand und Startups intensiver kooperieren.
Wie Dominik Gross zum Abschluss seiner Keynote sagte: „Nachher geht es um die Menschen, die es umsetzen. Es geht um die Macher:innen und es geht um die Lösung. Das seid ihr, das sind wir und wir wollen diese Lösung in den Mittelpunkt stellen.” Der Reclaim ist möglich. Aber nur, wenn wir ihn gemeinsam starten.